Der Gender Pay Gap ist kein Mythos!

Mittwoch, 14. März 2018 - 12:00

Offener Leserinnenbrief des Frauenrings

Sehr geehrter Herr Ortner, sehr geehrte Redaktion!

Als ‚Fake News‘ und ‚widerstandsfähigen Mythos in einer postfaktischen Welt‘ - so bezeichnet der Kolumnist und Autor Christian Ortner den Gender Pay Gap jüngst in der Tageszeitung „Die Presse“. Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen von 20,1 Prozent, der im EU-Vergleich auf Basis der durchschnittlichen Bruttostundenverdienste der unselbständig Beschäftigten in der Privatwirtschaft ermittelt wird, sei schlichtweg falsch, da verschiedene Faktoren (wie z.B. die Berufsbranche) nicht berücksichtigt werden. Eine Erkenntnis, die bereits 2012 zwei „Profil“-Journalisten zu einer „Aufdecker“-Geschichte inspirierte („Löhne: Die Wahrheit über die Ungleichheit“).

Dass es sich beim Gender Pay Gap um ein Täuschungsmanöver von Frauenpolitikerinnen und Interessenvertretungen handelt, ist natürlich nach wie vor Unsinn und damit der eigentlich widerstandsfähige Mythos, der offensichtlich immer noch in manchen Redaktionen kursiert.

Statistik 1 x 1

Es ist ein alter Hut: Für die Ermittlung von Lohnunterschieden zwischen den Geschlechtern existieren verschiedene Berechnungsmethoden. Frauen arbeiten in Österreich etwa deutlich häufiger in Teilzeit als Männer, sie sind überproportional in Niedriglohnsparten vertreten und unterbrechen ihre Berufskarriere aufgrund von Pflege- und Erziehungsarbeit häufiger und länger als Männer. Diese Faktoren wirken sich selbstverständlich auf die Einkommenshöhe aus. Doch selbst wenn zusätzliche Aspekte wie Schulbildung, Berufserfahrung und Familienstand berücksichtigt werden, bleibt in Studien ein unerklärlicher Gender Pay Gap. Eine Detail-Analyse der Statistik Austria (Oaxaca-Blinder-Dekomposition) ermittelte für das Jahr 2014 etwa 8,6 Prozentpunkte geschlechterspezifischen Lohnunterschied, der sich durch Einflussfaktoren wie Branche und Stundenausmaß erklären ließ; 13,6 Prozentpunkte blieben hingegen unerklärt.

Gut bezahlter Mechaniker, schlecht bezahlte Kindergartenpädagogin

Und auch wenn die Berufsbranche Lohnunterschiede erklärt: Es bleibt die ungerechte Bewertung von Arbeit, die dringend hinterfragt werden muss. Gerade Tätigkeiten im Bereich der Kindererziehung und in der Pflege, die überwiegend von Frauen ausgeführt werden, sind anstrengend und mit viel Verantwortung verbunden – jedoch gering entlohnt. Hinzu kommen Kollektivverträge, die von geschlechterspezifischen Vorstellungen von „gleichwertiger“ Arbeit geprägt sind und somit Ungleichheiten aufweisen.

Unbezahlte Arbeit ist weiblich

Der wohl größte Faktor angesichts ungleicher Löhne und Pensionen bleibt die unbezahlte Arbeit: Diese wird auch im Jahr 2018 in Österreich noch immer überwiegend von Frauen erledigt – die Folge ist nicht nur eine Teilzeitquote von fast 50 Prozent bei Frauen, sondern auch ein eklatanter Gender Pension Gap von rund 40 Prozent, der viele Frauen in die Altersarmut führt (was sich durch die letzte Pensionsreform künftig noch verschärfen wird).

Rolle der Medien

Angesichts der strukturellen Ungerechtigkeiten könnten JournalistInnen sich – anstatt einfach „Fake News“ zu schreien – alternativ mit starren Rollenbildern und verbesserungswürdigen Einkommensberichten beschäftigen, nach positiven Beispielen aus anderen Ländern suchen und ExpertInnen zum Thema befragen.

Mit besten Grüßen,
Sonja Ablinger
Vorsitzende des Frauenrings