Gleichstellung jetzt!

Dienstag, 7. Februar 2017 - 9:30

Stellungnahme des ÖFR zum Sozialbericht 2015/2016

Der kürzlich vom Sozialministerium veröffentlichte Sozialbericht für die Jahre 2015/2016 macht erneut geschlechtsspezifische Ungleichheiten deutlich – der Frauenring wiederholt seine Forderung nach verpflichtenden Maßnahmen für Geschlechtergerechtigkeit.

Der aktuelle Sozialbericht bestätigt erneut, was im Oktober 2016 bereits im "Gender Gap Report" des Weltwirtschaftsforums deutlich wurde: In Sachen Geschlechtergerechtigkeit gibt es in Österreich nach wie vor viel Aufholbedarf. Das wird bei einem Blick auf die staatlichen Sozialleistungen und die Einkommen besonders deutlich.

Ungleiche Beschäftigungsverhältnisse

Im europaweiten Vergleich weist Österreich einen der größten Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen auf. Verstärkt wird der Gender Pay Gap wird durch die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Beschäftigungsformen: Über 50% der Frauen teilzeitbeschäftigt, bei den Männern sind es nur 10%. Auch im immer größer werdenden Sektor atypischer Beschäftigungsformen arbeiten größtenteils Frauen.

Der Sozialbericht zeigt, dass in Österreich noch immer das Modell der männlichen Vollzeiterwerbstätigkeit vorherrscht. Besonders deutlich werden diese Geschlechterrollen, wenn Kinder zur Welt kommen: Frauen ziehen sich dann häufig vom Arbeitsmarkt zurück oder sind teilzeitbeschäftigt, während Männer vollzeitbeschäftigt bleiben. Unbezahlte Arbeit – vor allem im Haushalt und bei der Kinderbetreuung – wird nach wie vor weitgehend von Frauen ausgeübt.

Gender Pay Gap, Working Poor und Armutsgefährdung

Die systematische Schlechterstellung von Frauen am Arbeitsmarkt hat dramatische Folgen: Frauen sind wesentlich stärker armutsgefährdet als Männer. Laut Sozialbericht sind 26% der alleinerziehenden Frauen vom Phänomen ‚working poor‘ betroffen; das heißt, sie und ihre Kinder leben trotz Erwerbstätigkeit unter der Armutsgrenze. Die Gruppe der AlleinerzieherInnen (die zu 90% aus Frauen besteht) und ihrer Kinder ist doppelt so stark armutsgefährdet wie Familien, in denen beide Elternteile arbeiten.

Qualitativ hochwertige, kostenfreie und vor allem flächendeckend verfügbare Kinderbetreuungseinrichtungen leisten einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Frauen- und Kinderarmut und tragen somit zur Verbesserung der beruflichen Chancen von Frauen bei! Darüber müssen Geschlechterstereotype aufgebrochen werden, um auch den Beitrag von Männern im Bereich unbezahlter Care-Arbeit zu erhöhen.

Gläserne Decke

Die schlechtere Stellung von Frauen am österreichischen Arbeitsmarkt wird auch an anderer Stelle deutlich: „Das oberste Tausendstel  der  Beschäftigten hat 17-mal mehr Einkommen als   durchschnittliche Arbeitnehmer/innen“ ist im Sozialbericht 2015/2016 zu lesen; und weiter: „Nur  8%  des  obersten Tausendstels sind Frauen“ (Sozialbericht 2015/2016: S. 9). Diese Zahlen sind empörend.

Der strukturell bedingt schlechteren Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt müssen durch staatliche Maßnahmen entgegengewirkt werden, um die langjährige Forderung von gleichem Lohn für gleiche Arbeit endlich zu erfüllen! Der Frauenring spricht sich deshalb seit Jahren u.a. für Quotenregelungen, eine Reform der Einkommensberichte und die Einrichtung einer Stabstelle zur Förderung der betrieblichen Gleichstellung und Entgeltgleichheit aus.

Der Sozialbericht macht deutlich, wie weit Österreich nach wie vor von einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter entfernt ist. Im Gleichstellungsranking des Weltwirtschaftsforums rutschte Österreich zuletzt um 15 Plätze auf Rang 52 ab, auch in Sachen Gender Pay Gap sind seit Jahren nur sehr kleine Fortschritte zu verzeichnen. Der Frauenring fordert daher die Regierung auf, Frauenpolitik erkennbar und nachhaltig auf die politische Agenda zu setzen, sie als zentrale Aufgabe jedes Ministeriums zu begreifen und längst überfällige Reformen umzusetzen.

Der Österreichische Frauenring fordert deshalb erneut:

• eine Reform der Einkommensberichte (in Hinblick auf Transparenz, Unternehmensgröße, Kriterien und Konsequenzen)!
• die Einrichtung einer Stabstelle zur Förderung der betrieblichen Gleichstellung und Entgeltgleichheit!
• die Offenlegung der Gehälter und branchenübergreifende Verfahren zur Arbeitsbewertung: Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit!
• ein Ende der Anrechnung des Partnereinkommens und die Zuerkennung der eigenständigen Ansprüche bei der Notstandshilfe!
• einen wirksamen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz!